BUCHER SONETTE
HUNDERTNEUNZEHN UNTEN. HOTEL-ETAGE
Um seinem Tode unkennbar zu werden,
Kerbt und bemalt der Mensch die Haut.
Und wird bemalt. Und wird vertraut
Mit „Neptuns“ radiologischen Gebärden.
Gottvolle Neuzeit. Die Beschwerden,
Strahlend beschworen, werden laut.
Mein Liebes, komm voran. Mir graut
Vor Gott und Namen nicht auf Erden.
Schwer ist die Liebe. Und wie Blei
Schirmt dich ihr flügelhafter Schatten.
Das Schwere setzt das Leichte frei.
So retten wir uns aus dem matten
Und fahlen Licht der Todeszonen,
Die Zeichen deutend: Gott wird schonen.
20. – 22. Oktober 1987
BUCHER SONETTE
BEGLEIT-ERSCHEINUNGEN
Derart verengt, erweitert sich das Leben
Ums Präfix „über“. Vor wir gehn,
Gilt’s, das Vergangne zu bestehn.
Und sich entzweifelnd aufzuheben.
Von daher haben Engel eben
Gestalt, Gewalt. Und die Alleen,
Die wir entlaubt und schmucklos sehn,
Sind weil und wie wir sind. Die Reben
Des wilden Weins, der die Fassaden schmückte,
Sind längst gekeltert. So hofft die verrückte
Hoffnung, die zyklisch Kränze windet…
Es wird, ist, war… Kein Alter findet
Sich letztlich wieder im Nativen.
Die klügsten Klugen überleben in Naiven.
6. – 11. November 1987